„Wer argumentieren kann, muss nicht zuschlagen“
32 Lesementoren kümmern sich in der Stadt Euskirchen jeweils exklusiv um ein einzelnes Kind, um Lesekompetenz der Schüler zu stärken – Kreissparkasse Euskirchen unterstützt das Projekt nicht nur von Anbeginn finanziell, sondern stellt auch acht Mitarbeiter während der Arbeitszeit für die Aktion frei.
Euskirchen – „Lesen ist eine grundlegende Fähigkeit. Wer diese nicht beherrscht, wird auch etwa an Textaufgaben in Mathematik scheitern und insgesamt an einer guten Schullaufbahn gehindert“, sagte Anna Franzmann am vergangenen Dienstagnachmittag in der Stadtbibliothek Euskirchen. Dort berichtete sie der Presse zusammen mit Dr. Maria-Regina Neft, Vorsitzende des Fördervereins der Bibliothek, über ein besonderes Programm zur Leseförderung, nämlich „Mentor Euskirchen – Die Leselernhelfer“.
Insgesamt 32 Lesementoren gebe es in Euskirchen, die sich jeweils einmal in der Woche eine Schulstunde Zeit nehmen, um in Einzelbetreuung die Lesekompetenz ihrer Schützlinge zu fördern. Anna Franzmann: „Dieses 1:1-Prinzip ist sehr wichtig. Dass ein Erwachsener seine Aufmerksamkeit einem Kind ausschließlich widmet, genießen die Kinder sehr.“
Viele der betreuten Kinder hätten schlechtere Voraussetzungen etwa dadurch, dass die Eltern kaum Deutsch sprechen oder zu wenig Zeit für die Kinder erübrigen können. Gerade muslimische Jungen täten sich leichter, wenn ein Mann sie betreut – doch Männer sind eher rar gesät unter den Mentoren. „Auch deshalb bin ich begeistert über das Engagement der Kreissparkasse Euskirchen, denn die hat neben fortwährender finanzieller Unterstützung von Beginn an auch mehrere Männer als Lesementoren zur Verfügung gestellt“, so Franzmann.
Sie sieht den Einsatz der Kreissparkasse Euskirchen (KSK) als ebenso einzigartig wie vorbildhaft für andere Betriebe an: „Die Mitarbeiter bekommen sogar die Schulstunde als Arbeitszeit bezahlt. Damit es aber auch einen ehrenamtlichen Anteil gibt, übernehmen die Mitarbeiter die Fahrzeiten.“
Antje Ibendorf ist eine der KSK-Mitarbeiterinnen, die bei den Mentoren mit dabei sind und auch gleich noch für das Projekt einen Scheck im Gepäck hatte. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Unter den insgesamt acht Lesementoren der KSK sei sogar das Vorstandsmitglied Hartmut Cremer im Einsatz. Antje Ibendorf vom KSK-Beratungscenter Flamersheim berichtete nicht nur darüber, wie viel Freude ihr und ihren Kollegen die Arbeit als Mentorin macht, sondern hatte auch noch zwei Schecks im Gepäck: Mit 1000 Euro für die Unterstützung der Mentoren, etwa für Lesematerialien, und 1500 Euro für die Stadtbibliothek aus Erlösen durch das PS-Sparen zeigte sie, dass das regionale Kreditinstitut nicht nur durch persönlichen Einsatz und ideell, sondern auch finanziell unterstützt.
Mit der Mentorenschaft übernehmen die Lesehelfer eine wichtige gesellschaftliche Funktion, wie Anna Franzmann betont. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Anna Franzmann ließ die Geschichte der Euskirchener Lesementoren Revue passieren: 2011 begann die Zusammenarbeit von Mentoren und Stadtbibliothek, im Dezember desselben Jahres nahmen die ersten elf Lesehelfer ihre Arbeit in den sieben Grundschulen der Stadt Euskirchen auf. Von den mittlerweile 32 Mentoren betreut einer auch ein Kind auf einer Hauptschule weiter.
Die Mentoren gebe es nicht nur in Euskirchen: In insgesamt 70 Städten betreuen 9000 Menschen 11000 Schüler. Nicht nur die schulischen Leistungen verbesserten sich durch die Mentorenschaft: Aus einer Erhebung aus Hannover wisse man, dass die Gewalt unter Schülern durch das Projekt abnehme, so Franzmann: „Wer Lesen und Sprache beherrscht, muss nicht zuschlagen, sondern kann argumentieren.“
Über die Möglichkeit, in ihrem kaufmännischen Beruf auch noch sozial tätig zu sein, freut sich Nadine Greuel von der KSK, ebenfalls Lesementorin. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Nadine Greuel von der Kreissparkasse Euskirchen ist eine der Mentorinnen und berichtete: „Ich bin froh über meinen kaufmännischen Beruf, aber mir war auch immer schon das Soziale wichtig. Dass mir mein Arbeitgeber ermöglicht, beides sogar in meiner Arbeitszeit unter einen Hut zu bringen, ist wirklich außergewöhnlich.“ Die Zusammenarbeit mit den Heranwachsenden sei einfach toll. „Viele der Kinder haben einen schwierigen Hintergrund. Wenn die nach einer Zeit Vertrauen fassen, berichten sie oft von Gewalt oder Alkoholismus in der Familie“, so Greuel. Solchen Kindern tue es einfach gut, wenn sie sich etwas von der Seele reden könnten.
Nadine Greuel: „Die geben einem ganz viel zurück. Das Mädchen, das ich zurzeit betreue, strahlt die ganze Zeit beim Lesen!“ Wie das Team der Stadtbibliothek berichtete, stellt die Arbeit der gesamten Mentoren einen Zeitaufwand von 1,2 Vollzeitstellen dar.
Die Lesementoren wollen die Lesekompetenzen ihres jeweiligen Schützlings verbessern. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa