Singen mit Worten und Händen

Kreissparkasse Euskirchen ermöglicht Fortbestehen des Euskirchener Gebärdenchors – 20 hörende und 10 gehörlose Menschen singen und gebärden gemeinsam.

 

Euskirchen – Man muss sie gehört, aber unbedingt auch gesehen haben: Wenn die gut 30 Chormitglieder des Gebärdenchors Euskirchen loslegen, dann wird daraus für den Zuhörer und Zuschauer sogleich ein sehr intensives und berührendes Musikerlebnis. Die Barriere zwischen Vortragenden und Publikum ist von Anfang an verschwunden. Denn die Identität von Wort und Geste sowie von Gesang und Gebärde ist auch für Menschen fühl- und begreifbar, die die Gehörlosensprache nicht verstehen.

Im März vergangenen Jahres startete der Chor als Kooperationsprojekt zwischen der Katholischen Gehörlosenseelsorge unter der Leitung von Udo Klein und der Musikerin und Musiktherapeutin Anita Wagener. Ein Jahr lang wurde das Projekt von der Aktion Mensch gefördert. Dann drohte das Aus.

 

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Udo Klein (rechts) leitet die Katholische Gehörlosenseelsorge. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

„Wir haben zufällig in der Zeitung gelesen, dass die Förderung für dieses einmalige inklusive Projekt wegfallen sollte“, berichtete die Vorstandsvorsitzende der beiden KSK-Stiftungen Rita Witt. Mit dem Kuratoriumsvorsitzenden der KSK-Bürgerstiftung, Markus Ramers, war sie sich sogleich einig, dass man das Ende des erfolgreichen Chors verhindern müsse.

 

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Die Mitglieder des Gebärdenchors sind mit dem ganzen Körper bei der Sache. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

„Es wäre doch schade gewesen, wenn hier eine gelingende gelebte Inklusion wieder hätte eingestellt werden müssen, nur weil das Geld nicht mehr zur Verfügung stand“, so Rita Witt. Aus diesem Grund habe sich die Bürgerstiftung rasch entschlossen, 3000 Euro für das Projekt zu bewilligen.

„Die Volksbank Euskirchen gab noch 500 dazu, und mit einigen Einzelspenden haben wir jetzt fast das Budget des Vorjahrs wieder erreicht, so dass wir getrost ein Jahr weiter arbeiten können“, freute sich Udo Klein. Kosten fallen vor allem für die Dolmetscherin an. Denn ohne professionelle Unterstützung wäre eine produktive Arbeit nur sehr schwer möglich. Die Chormitglieder zahlen übrigens selbst auch einen Beitrag, um das Projekt am Leben zu halten, woran man sieht, wie wichtig ihnen der gemeinsame Chor ist.

 

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Markus Ramers (links) und Rita Witt (2.v.r) wurden direkt in das Tanzgeschehen mit einbezogen. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Um sich bei der KSK für die großzügige Unterstützung zu bedanken, hatte der Chor Rita Witt und Markus Ramers jetzt eigens zu einem kleinen Privatkonzert in das Forum St. Mattias eingeladen. Doch nur mit Zuhören und Zuschauen war es für die beiden nicht getan. Sie wurden auch aufgefordert, aktiv am Geschehen teilzunehmen. Denn der Chor singt und gebärdet nicht nur, er tanzt auch gern, was zumindest für den eher fußballerisch talentierten Markus Ramers eine ganz neue Herausforderung war, die er aber ebenso gekonnt meisterte wie ein Torwandschießen. „Ich bin wirklich tief bewegt“, gestand Ramers anschließend. „Man spürt, dass Inklusion hier nicht einfach nur ein Wort ist, sondern ein gelebtes echtes Miteinander.“

 

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So sieht es aus, wenn die Chormitglieder selbst applaudieren. Der Beifall galt Rita Witt und Markus Ramers, die das Fortbestehen des Chors ermöglichten. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
 

 

 

„Für uns alle hier war dies zu Beginn ein großes Experiment“, berichtete Anita Wagener. Die Erwartungen, die man gehabt hatte, wären jedoch deutlich übertroffen worden: „Die Grenzen zweier unterschiedlicher Kommunikationskulturen lösen sich im gemeinsamen Vortrag auf, und in der zwischenmenschlichen Begegnung spielt die Gehörlosigkeit im Grunde keine Rolle mehr“, sagte sie. Die Chorleiterin sprach von einem „Chor der verbundenen Herzen“, machte aber auch deutlich, dass es während der Proben oft sehr lebhaft zugehe.

 

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Der Gebärdenchor und die KSK-Gäste stellten sich zu einem Gruppenfoto auf dem Franziskanerplatz in Euskirchen auf. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
 

 

 

Mittlerweile sind auch viele hörende Mitglieder des Chors in der Lage, sich mit ihren gehörlosen Kollegen und Kolleginnen in einem Mix aus Gebärden- und Gestensprache zu unterhalten. Die Deutsche Gebärdensprache ist eine eigenständige Sprache, deren Grammatik, so wussten einige Mitglieder, sich grundlegend von derjenigen der deutschen Lautsprache unterscheidet.

„Der größte Unterschied zur Lautsprache ist, dass die Gebärdensprache räumlich abläuft“, berichtete ein noch junges Chormitglied. Personen und Orte könnten in einem Gespräch sozusagen in der Luft platziert werden, um nachher noch einmal mit einer veränderten Bedeutung auf sie zurückzukommen. Darüber hinaus gebe es sogar regionale Dialekte.

Der Chor, der sich alle zwei Wochen im Gehörlosenheim in Stotzheim zur Probe einfindet, tritt mittlerweile auch öffentlich auf, war schon bei der Laga dabei und will an den Zülpicher Kulturtagen teilnehmen. Man kann den Chor auch buchen. Wer mehr wissen möchte, der sollte sich an Chorleiterin Anita Wagener unter Tel.: 0 22 57/95 90 901 wenden.

 

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Im Gebärdenchor ist voller Körpereinsatz gefragt. Chorleiterin Anita Wagener (rechts) gibt das Tempo vor. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa