Erfolgsunternehmen mit besonderen Mitarbeitern

Beim jüngsten Unternehmerfrühstück „viertelvoracht“ luden Kreiswirtschaftsförderung und Kreissparkasse Euskirchen an den Zingsheimer Standort der Nordeifel-Werkstätten (NEW) ein – Modernes Produktionsunternehmen mit europaweitem Absatz von Saunen – Von den insgesamt rund 1400 Beschäftigten der NEW sind 1100 Menschen mit Behinderung.

 

Nettersheim-Zingsheim – Ein Vorzeige-Unternehmen mit besonderen Mitarbeitern konnten die 60 Teilnehmer des jüngsten Unternehmerfrühstücks „viertelvoracht“ am vergangenen Mittwoch erleben: Der auf Holz- und Saunabau spezialisierte Zingsheimer Standort der Nordeifel-Werkstätten (NEW) war Schauplatz des Netzwerktreffens von Kreiswirtschaftsförderung und Kreissparkasse Euskirchen. Den weitaus größten Anteil der 360 Beschäftigten bilden Menschen mit verschiedenen Behinderungen. Hauptprodukt sind Blockbohlen-Saunen, die europaweit vertrieben werden.

 

Bei der Unternehmensführung zeigte Mitarbeiterin Beate ihre Aufgabe im Saunabau der NEW. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epaBei der Unternehmensführung zeigte Mitarbeiterin Beate ihre Aufgabe im Saunabau der NEW. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Wilhelm Stein, Geschäftsführer der Nordeifel-Werkstätten, berichtete: „Die NEW sind aus einer Elterninitiative entstanden, durch Fachleute unterstützt. Heute können wir auf eine 40-jährige Unternehmensgeschichte zurückblicken.“ Die NEW bieten zurzeit 1400 Menschen an vier Standorten im Kreis Euskirchen Beschäftigung, darunter 1100 Menschen mit Schwerbehinderung.

In manchen Köpfen halte sich noch ein Bild von Behindertenwerkstätten, in dem ein wenig gebastelt wird, so Stein. Landrat Rosenke: „Aber die Nordeifel-Werkstätten sind ein modernes Unternehmen, in dem nicht nur produziert, sondern auch Inklusion gelebt wird.“ Holger Glück, Direktor S-FirmenCenter bei der KSK und gemeinsam mit Iris Poth und Claudia Albold von der Kreiswirtschaftsförderung sowie Alexandra Bennau, KSK, im Organisationsteam von „viertelvoracht“, berichtete: „Ihr erfolgreiches Unternehmen bietet Dienstleistungen und Produktion in elf verschiedenen Sparten. Sie sind flexibel, kreativ und innovativ.“

Wie flexibel die NEW reagiert, konnte man sehen, als Betten für Flüchtlinge knapp wurden. Der Zingsheimer Standort hat in Windeseile ein Holzbett ersonnen, das wie die Blockbohlensaunen als Stecksystem ausgeführt ist und nun vor Ort produziert wird. Trotz der besonderen Mitarbeiter stellt sich das Unternehmen den Marktanforderungen, auch was Liefergeschwindigkeit und vor allem Qualität angeht. Dies konnte unter anderem Dr. Arnt Vienenkötter bestätigen, Leiter des Miele-Werkes Euskirchen. Denn NEW-Mitarbeiter montieren für das Werk Teile einer Spülmaschine. Vienenkötter: „An diesem Standort war ich noch nicht, es ist sehr interessant, das hier zu erleben.“

 

Ausgebucht war das jüngste Unternehmerfrühstück „viertelvoracht“ bei den NEW, zur großen Freude von Holger Glück, Direktor S-FirmenCenter bei der KSK, Alexandra Bennau, KSK, Iris Poth, Stabsstellenleiterin Kreiswirtschaftsförderung, Wilhelm Stein, Geschäftsführer NEW, Claudia Albold, Kreiswirtschaftsförderung, und Landrat Günter Rosenke. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epaAusgebucht war das jüngste Unternehmerfrühstück „viertelvoracht“ bei den NEW, zur großen Freude von Holger Glück, Direktor S-FirmenCenter bei der KSK, Alexandra Bennau, KSK, Iris Poth, Stabsstellenleiterin Kreiswirtschaftsförderung, Wilhelm Stein, Geschäftsführer NEW, Claudia Albold, Kreiswirtschaftsförderung, und Landrat Günter Rosenke. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Dass das Unternehmen mehr als gut aufgestellt ist, bewies anschließend Tanja Adolf, die den Fachdienst NEW Job leitet, der für die Beratung, Begleitung und Vermittlung von Menschen mit Behinderungen zuständig ist. In Zusammenarbeit mit Förderschulen, Werkstätten für behinderte Menschen und dem Integrationsfachdienst werden Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. „Wir führen dazu sehr intensive Gespräche, um Fähigkeiten, Vorstellungen, Wünsche und Möglichkeiten der Betroffenen auszuloten“, so Adolf.

Mittlerweile kämen auch viele Unternehmen auf NEW Job zu, um nach potenziellen Mitarbeitern zu fragen. „Wir arbeiten auch mit psychisch erkrankten Menschen, die schon jahrelang im Arbeitsleben standen oder ein Studium absolviert haben. Für alle diese Menschen suchen wir nach einem Platz, in dem sie sich wohlfühlen und ein Unternehmen, in denen menschlich auch alles gut zueinander passt.“

Bevor es aber ins Arbeitsleben geht, wird die neue Zusammenarbeit erst einmal während einer vierwöchigen Praktikumsphase getestet. „Die Job Coaches kommen auf die Arbeitsstelle und begleiten die Arbeit der Beschäftigten und kümmern sich um die Zusammenarbeit mit dem Betrieb“, so Adolf. Nach einer positiven Auswertung des Praktikums könne die Kennenlernphase dann zwei bis fünf Monate kostenlos weiter fortgesetzt werden.

„Es ist enorm wichtig, dass die Betroffenen eine Beziehung zu den Menschen in ihrem neuen Arbeitsumfeld aufbauen“, so Adolf. Dann laufe die Arbeit fast von selbst. Man müsse darüber hinaus den Mut haben, alles anzusprechen, was fremd sei, was irritiere oder störe. „Alle Menschen haben irgendein Handicap“, sagte Adolf, „die einen reden darüber, die anderen kennen es nicht einmal mehr.“

 

Zahlreiche Unternehmer aus dem gesamten Kreisgebiet kamen zum „viertelvoracht“ im NEW-Standort Zingsheim. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epaZahlreiche Unternehmer aus dem gesamten Kreisgebiet kamen zum „viertelvoracht“ im NEW-Standort Zingsheim. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

NEW Job ist aber weitaus mehr als nur eine gute Idee, sie funktioniert offensichtlich auch hervorragend, wie Tanja Adolf anhand von Einzelbeispielen aufzeigen konnte: Egal ob in Bäckereien, in Freizeiteinrichtungen, in Familienzentren, in der Landwirtschaft, in der Industrie, im Empfangsbereich von Rathäusern, in Hausmeistereien oder in gemeindlichen Bauhöfen oder in der Gastronomie: überall arbeiten heute Menschen mit Behinderung und sind in das normale Arbeitsleben nicht nur integriert, sondern aus diesem auch nicht mehr wegzudenken.

Dem konnte Holger Glück nur zustimmen: „Bei uns ist die Kantine komplett in den Händen der NEW-Mitarbeiter, und wir sind alle sehr zufrieden mit der Arbeit, die dort geleistet wird. Zudem ist die Atmosphäre durch die freundlichen Mitarbeiter noch einladender geworden.“

Erleben konnten die Teilnehmer eine entspannte, aber dennoch produktive Atmosphäre bei der Werksführung. NEW-Leiter des Sozialen Dienstes, Jürgen Bauer, berichtete: „Unsere Mitarbeiter werden je nach Bedürfnis und Möglichkeiten eingesetzt. Manche brauchen etwa Raum, um sich zwischendurch zu entspannen oder zurückzuziehen. Er berichtete am Rande, dass Nordrhein-Westfalen das einzige Bundesland sei, in dem auch Schwerstbehinderte in Werkstätten arbeiten können: „Deshalb haben wir zum Beispiel auch ein komplett ausgestattetes Pflegezimmer“, so Bauer.

 

Johannes Klapper von der Agentur für Arbeit machte auf die Möglichkeiten, Flüchtlingen eine Arbeitsstelle zu bieten, aufmerksam und hatte einen passenden Flyer dazu im Gepäck. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epaJohannes Klapper von der Agentur für Arbeit machte auf die Möglichkeiten, Flüchtlingen eine Arbeitsstelle zu bieten, aufmerksam und hatte einen passenden Flyer dazu im Gepäck. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Johannes Klapper von der Bundesagentur für Arbeit Brühl ist regelmäßiger Gast bei „viertelvoracht“, dieses Mal war er aber auch Referent. Er informierte über die aktuelle Lage zur Beschäftigung von Flüchtlingen, etwa, dass die Arbeitssperre in den ersten drei Monaten für Asylbewerber so nicht mehr gelte: „Wir haben ein Merkblatt zu diesem Thema zusammengestellt und stehen gerne für weitere Informationen bereit.“

Ins Leben gerufen wurde das Netzwerktreffen von Kreiswirtschaftsförderung und Kreissparkasse Euskirchen, um einen ungezwungenen Austausch und Kennenlernen von Unternehmern zu ermöglichen und damit gleichzeitig die regionale Wertschöpfung anzukurbeln. Das dieses Konzept Erfolg hat, kann man nicht nur an den stetigen Teilnehmerzahlen mit vielen regelmäßigen Gästen ablesen. Sichtbar wurde es auch bei den angeregten Gesprächen der Unternehmer zwischen Kurzvorträgen und Werksführung.