Comedia im Gypsy-Swing-Fieber
Mit dem Joscho-Stephan-Quintett gelang ein fulminanter Abschluss des KIK-Jubiläumsjahres – KSK Euskirchen sponserte den Abend.
Euskirchen – Mit dem letzten Konzert für 2015 ging am Sonntagabend das Jubiläumsjahr der „Kultur Initiative Klösterchen“ (KIK) zu Ende. Seit nunmehr 15 Jahren gelingt es Geschäftsführer Klaus Linden immer wieder aufs Neue, Musikveranstaltungen auf sehr hohem Niveau erfolgreich in Euskirchen zu veranstalten und so zum Kulturleben der Kreisstadt wesentlich beizutragen.
Joscho Stephan gilt schon heute als einer der größten Interpreten des Gypsy-Swing. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Für das Abschlusskonzert, das auch gern als „Weihnachtskonzert“ bezeichnet und traditionellerweise von der Kreissparkasse Euskirchen (KSK) gefördert wird, hatte Linden mit dem Joscho Stephan Quintett gleich fünf Musiker engagiert, die ihres gleichen suchen. Gemeinsam bewiesen die Fünf, dass Gypsy Swing keine tradierte volksmusikalische Stilrichtung ist, sondern eine komplexe Kunstform, deren empfundene Leichtigkeit nur durch schwere Arbeit und viel Üben zu haben ist. Für alle Gitarrenspieler unter den Zuhörern musste dabei allein schon der Blick auf Joscho Stephans enorme Spielgeschwindigkeit entweder frustrierend oder inspirierend sein, je nach persönlicher Veranlagung.
Das rhythmische Herz des Quintetts: Günter Stephan ist der Motor der Band und gibt seit Jahren den Takt an. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Aber auch Stephan hat mal klein angefangen: Im Alter von sechs Jahren lernte er zunächst bei seinem Vater, Günter Stephan, bevor er eine klassische Gitarrenausbildung absolvierte und sich später für Jazz und Rock zu interessieren begann. Als Jugendlicher entdeckte er dann zufällig die Musik des Gypsy-Jazz-Gitarristen Django Reinhardt und setzte sich mit dessen Musik autodidaktisch auseinander.
Violinist mit großer Bandbreite: Sebastian Reimann überzeugte das Publikum mit seinem virtuosen Spiel. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Die Zuhörer in Euskirchen erlebten einen sehr aufgeräumten und witzigen Bandleader, der sich einen Spaß daraus machte, seine Musikerkollegen zu foppen. Violinist Sebastian Reimann beispielsweise, den Stephan eines Tages in seiner „Einfahrt“ gefunden haben will, sollte sein Geigenspiel angeblich in einem zweijährigen VHS-Kursus erlernt haben. Von Reimanns Studium an der Musikhochschule Köln, seinen Konzerttätigkeiten als Mitglied diverser Orchester und seine Arbeit als Konzertmeister mehrerer bekannter Musicals sagte Stephan allerdings kein Wort. Das war aber auch nicht nötig, denn Reimann spielte so außerordentlich virtuos, dass er Stephans laxen Plaudereien quasi mit jedem Ton Lügen strafte. Zu Günter Stephan bemerkte Joscho, dass viele seinen Vater für seinen Bruder hielten. „Das liegt daran, dass wir in einem Haus wohnen und ich mich rührend um meinen Vater kümmere, damit er von morgens bis abends Rhythmusgitarre spielen kann.“ Vater Stephan brach daraufhin kurz lachend über seiner Gitarre zusammen, um sodann wieder das zu tun, was er schon seit Jahren macht: den Takt angeben, denn Günter Stephan ist das rhythmische Herz des Quintetts oder anders ausgedrückt: Er ist der Vater von Joscho und die Mutter des Swing.
Neben zahlreichen Stücken von Django Reinhardt, Eigenkompositionen von Joscho Stephan, Duke Ellington-Bearbeitungen wie „Caravan“ oder „Take the »A« Train“ sowie Gypsy-Swing-Klassikern wie „Sweet Georgia Brown“, hatte das Quintett auch Klassik im Programm, so Edward Griegs Norwegischen Tanz Nr. 2, wenn auch in Gypsy-Swing-Bearbeitung. Mit dem französischen Chanson „C’est si bon“ wendete sich das Quintett an alle Verliebten im Saal und mit Dean Martins Nummer „Sway“ zeigte Violinist Reimann erneut seine enorme musikalische Bandbreite.
Bassist mit Soloqualitäten: Stefan Berger begeisterte mit seinem versierten Bassspiel. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Ebenfalls stets für ein atemberaubendes Solo gut war Bassist Stefan Berger. Berger, der seit Jahren auf internationalen Festivals zu Hause ist und bereits an rund 30 Audio-Produktionen mitwirkte, ist ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt. Er arbeitete bereits mit Künstlern wie Clueso, Pepeu Gomes, Viva Voce oder auch Nigel Kennedy zusammen.
Johannes Zink glänzte als zweiter Rhythmusgitarrist und gab dem Quintett den richtigen Drive. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Mit Johannes Zink an der zweiten Rhythmusgitarre hatte Joscho Stephan einen weiteren exquisiten Musiker mit nach Euskirchen gebracht. Zink hat sich nicht nur als klassischer Konzertgitarrist sowie an der Renaissance- und Barocklaute einen Namen gemacht, sondern auch als Jazzmusiker.
Was Joscho Stephan selber angeht, so lässt sich seine Virtuosität an der vollakustischen Gypsy-Jazz-Gitarre nur schwer beschreiben. Seine Stilistik, sein Klangreichtum und vor allem sein Spielwitz machen ihn schon heute zu einem der größten lebenden Gypsy-Swing-Interpreten weltweit. Wer ihn einmal gehört und auch gesehen hat, der dürfte das bedenkenlos unterschreiben.
Die Zuhörer in der ausverkauften Comedia zumindest schienen restlos von diesem ungewöhnlichen Konzertabend begeistert und ließen die Musiker erst nach mehreren Zugaben wieder von der Bühne.