Finger so schnell wie der Flügelschlag eines Kolibri

„Gypsy-Swing“ in der Comedia Euskirchen – Virtuose Gitarristen um Mike Reinhardt beim Weihnachtskonzert der Kulturinitiative Klösterchen, gefördert von der Kreissparkasse Euskirchen.

 

Euskirchen – Wenn Gitarre-Spielen eine olympische Disziplin wäre, hätten die Besucher des traditionellen Weihnachtskonzerts der Kulturinitiative Klösterchen Euskirchen (K.i.K.) Medaillenträger erlebt: Mit den Musikern um Mike Reinhardt, Nachfahre des legendären Jazz-Musikers Django Reinhardt, zeigten am vergangenen Dienstagabend wahre Athleten der Fingerfertigkeit ihr rasantes Können in der „Comedia“ Euskirchen.

Geschäftsführer und künstlerischer Leiter der K.i.K. ist Klaus Linden, der mit der Gypsy-Band wieder für einen gelungenen Auftritt in der Comedia gesorgt hat. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epaGeschäftsführer und künstlerischer Leiter der K.i.K. ist Klaus Linden, der mit der Gypsy-Band wieder für einen gelungenen Auftritt in der Comedia gesorgt hat. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Dabei wäre das Konzert fast ausgefallen. Denn das „Mike & Moro Reinhardt Quartett“ besteht aus vier Brüdern, die vor zwei Wochen mit Klanoberhaupt Dawelie Reinhardt ihren Vater verloren haben – jenen Mann, der Mike im Alter von sechs Jahren das Gitarre-Spielen beigebracht hatte. Bassist Sascha Reinhardt: „Wir haben alle Konzerte abgesagt – bis auf dieses, das wollten wir unbedingt spielen.“ Dazu erkrankte Moro auch noch, so dass mit Jermaine Reinhardt der Sohn von Sascha kurzfristig einsprang. Einen Song widmeten die Musiker bei ihrem Auftritt in Euskirchen dann auch ihrem Vater beziehungsweise Großvater: Sein Lieblingslied, das er auf allen Konzerten spielte, und zwar „so wie es Vater gespielt hätte.“

Versunken in der weiten Welt der Musik war Jermaine Reinhardt. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epaVersunken in der weiten Welt der Musik war Jermaine Reinhardt. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Über zwei Stunden lang bekam das Publikum im voll besetzten Saal Gypsy-Swing in oft atemberaubender Geschwindigkeit zu hören und die enorme Spielfreude der Musiker zu sehen. Meist nur durch Blicke, ein paar Anfangstöne oder ein kurzes Stichwort verständigten sich Mike Reinhardt an der Spanischen Gitarre mit seinen Brüdern Sascha, der das Griffbrett seines Basses bis in die höchsten Lagen nutzte, Perkussionist Bawo an der Cajón sowie Neffe und Gitarrist Jermaine und legten so den nächsten Song, das nächste Solo oder ein Zwischenspiel fest. Dabei überraschten sie immer wieder mit humorvollen musikalischen Zitaten, plötzlichen Stops oder dadurch, dass sie sich musikalische „Bälle“ zuwarfen wie ein Basketballteam.

Mit kurzen Blicken verständigten sich die Musiker Jermaine (v.l.), Sascha und Mike Reinhardt. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epaMit kurzen Blicken verständigten sich die Musiker Jermaine (v.l.), Sascha und Mike Reinhardt. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Klaus Linden, K.i.K.-Geschäftsführer, und K.i.K.-Vorstandsmitglied Dr. Ingo Wolf bedankten sich vor allem bei der Kreissparkasse Euskirchen (KSK), die durch ihre Unterstützung nicht nur das aktuelle Gypsy-Konzert, sondern seit Jahren das „K.i.K.-Weihnachtskonzert“ fördern – und zwar nicht nur finanziell. Denn mit den Vorstandsmitgliedern Holger Glück und Hartmut Cremer, Rita Witt, Direktorin Vorstandsstab und Karl-Heinz Daniel vom Vorstandsstab sowie Rainer Santema, Leiter S-FirmenCenter, zeigten die Banker auch ihr persönliches Interesse an kulturellen Ereignissen im Kreis Euskirchen. Neben weiteren Sponsoren aus Unternehmen wie e-regio unterstützen auch Privatpersonen die Kulturinitiative, so Wolf: „Das ist sehr wichtig, denn wir sind ja kein kommerzieller Verein.“ Gefördert werden soll Kultur von Literatur über Klassik bis zu Folklore und Jazz – die beiden letzteren Stilrichtungen perfekt vereint im Gypsy-Swing des Weihnachtskonzertes.

Virtuose Fingerfertigkeit zeigte Mike Reinhardt an der Spanischen Gitarre. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epaVirtuose Fingerfertigkeit zeigte Mike Reinhardt an der Spanischen Gitarre. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Und das zeigten die Musiker aus Koblenz um Mike Reinhardt in Perfektion: Wie der Flügelschlag eines Kolibris nur als verschwommenes Flattern zu sehen ist, konnte das Auge kaum den flinken Fingern der Musiker folgen, die neben traditionellen Melodien des Sinti-Swing – übrigens der erste Jazz-Stil, der in Europa geboren wurde – immer wieder bekannte Töne aus Jazz, Pop, Klassik und Rock einfließen ließen und sogar kurzzeitig „Smoke on The Water“ von „Deep Purple“ in einen Swing-Song einbauen konnten.

 

 

Die Freude an Musik war Sascha Reinhardt anzusehen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epaDie Freude an Musik war Sascha Reinhardt anzusehen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Von Freiheit war die Musik geprägt, vom Überwinden von Grenzen und Verbinden von Menschen über Länder, Kulturkreise und Generationen hinweg. Ausflüge zu Rock’n’Roll und Rockabilly wechselten mit Flamenco und sogar zum „Harry Lime Theme“ aus dem Schwarz-Weiß-Klassiker „Der Dritte Mann“, bei dem Mike seine Gitarre wie eine Zither zum Klingen brachte. Mit viel Humor und Augenzwinkern wechselten die Musiker von einem Genre in andere und spielten dennoch durchgehend „Zigeuner-Musik“, wie die Musiker auch selbst sagen.

Jermaine (v.l.), Sascha, Mike und Bawo Reinhardt spielten über zwei Stunden lang in Euskirchen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Jermaine beim Gespräch in der Pause: „Man muss den Begriff nicht überstrapazieren. Es kommt immer darauf an, wie das Wort Zigeuner gemeint ist.“ Noten könne übrigens keiner von ihnen lesen – wozu auch, die musikalischen Fertigkeiten werden in der Familie weitergegeben, zuerst durch Zusehen und Zuhören. Dann schon im Kindesalter fangen sie selbst an, auf Instrumenten zu spielen. Das Gespür für Musik und die Fähigkeit zur Improvisation wird den Musikern damit quasi in die Wiege gelegt – mit beeindruckenden Ergebnissen, wie man in der Comedia hören konnte. So belohnte das Publikum die virtuosen Soli mit viel Zwischenapplaus und ließ die Gypsy-Band erst nach mehreren Zugaben und „Standing Ovations“ von der Bühne.