Szenische Lesung aus der „stärksten literarischen Anklage gegen den Nationalsozialismus“

Axel Gehring und Michael Mombaur lesen mit musikalischer Begleitung des Klezmer-Klarinettisten Bernd Spehl aus Kressmann Taylors „Adressat unbekannt“ – KSK Euskirchen unterstützt das Projekt „Erinnerungskultur“ am St. Michael-Gymnasium

Bad Münstereifel – Das St.-Michael-Gymnasium in Bad Münstereifel ist seit Jahren für seine gelebte Erinnerungskultur bekannt. Ob Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte der Region in Wort und Bild, die Finanzierung von Stolpersteinen, die Einladung von Zeitzeugen, die den Holocaust überlebt haben, oder die regelmäßigen Fahrten mit Schülerinnen und Schülern zum ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau: Die Schule setzt sich mit ihren Schülerinnen und Schülern auf vielfache Weise mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands auseinander.

„Wir wollen mit unserer pädagogischen Arbeit vor allem Jugendliche erreichen und auf elementare Werte wie Toleranz, Nächstenliebe und Friedfertigkeit hinweisen“, berichtet Geschichtslehrer Michael Mombaur. Dies sei in einer Zeit, in der sich wieder vielfach rechte Tendenzen in der Gesellschaft bemerkbar machten, enorm wichtig. „Wir müssen uns immer wieder fragen, wo ziehen wir als Menschen unsere Grenzen“, so Mombaur.

Die rechtspopulistischen Tendenzen, die das Dritte Reich erst möglich gemacht hätten, seien von einigen Zeitgenossen bereits sehr früh erkannt worden. Einer dieser Menschen sei Kressmann Taylor gewesen, eine Werbetexterin aus New York, die 1938 im New Yorker „Story Magazine“ ihren Beitrag „Adressat unbekannt“ veröffentlichte, zu einer Zeit also, da auch Charlie Chaplin mit dem „Großen Diktator“ schon früh auf das deutsche Unrechtssystem aufmerksam machte.

„Dieses Buch ist in Zeiten weltweit zunehmender Rechtsradikalität, Fremdenfeindlichkeit und wachsenden Antisemitismus heute wieder aktueller denn je“, berichtet auch Axel Gehring, Deutschlehrer, Theaterpädagoge und seit vielen Jahren Leiter der Theater-AG am St. Michael-Gymnasium. Aus diesem Grund haben sich die beiden Lehrer entschlossen, gemeinsam mit dem Klarinettisten Bernd Spehl dieses Buch als szenische Lesung aufzuführen. Neben Klezmermusik des osteuropäischen Judentums will Spehl die Lesung auch mit Musik der deutschen Romantik begleiten. Spehl ist durch seine Auftritte mit dem Klezmertrio „A Tickle In The Heart“ und der Band „Klezmer Alliance“ bekannt und spielte bereits gemeinsam mit Klezmer-Größen wie Pesakh Fiszman, Deborah Strauss, Andrea Pancur, Guy Schalom, Susan Ghergus und Efim Chorny.

In dem Buch von Kressmann Taylor geht es um einen Briefwechsel zwischen einem Deutschen und einem amerikanischen Juden in den Monaten rund um Hitlers Machtantritt. Die New York Times nannte das Buch „die stärkste Anklage gegen den Nationalsozialismus, die man sich in der Literatur vorstellen kann.“

Karl-Heinz Daniel (v.l.), Axel Gehring, Bernd Spehl und Michael Mombaur hoffen, dass die szenische Lesung „Adressat unbekannt“ gut besucht werden wird. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

„Nicht zuletzt haben wir das Buch aber gewählt, weil es viel von dem, was wir mit jungen Menschen in Auschwitz erlebt haben, widerspiegelt“, so Mombaur. Mit den Einnahmen aus der Lesung sollen weitere Projekte der Erinnerungskultur am St. Michael-Gymnasium finanziert werden.

„Unser Dank geht besonders auch an die Kreissparkasse Euskirchen, die uns neben anderen Sponsoren bei unserem Projekt Erinnerungskultur zuverlässig unterstützt“, so Mombaur: „Wir hätten viele Dinge ohne die Kreissparkasse nicht umsetzen können.“

Karl-Heinz Daniel vom Vorstandsekretariat der Kreissparkasse Euskirchen (KSK) sagte: „Wir freuen uns grundsätzlich, wenn wir mit unseren Stiftungen Schulprojekte unterstützen können. Die Erinnerungsarbeit, die am St. Michael-Gymnasium geleistet wird, halten wir dabei für besonders fördernswert. Denn es ist wichtig, Schülerinnen und Schüler für dieses Thema zu sensibilisieren, damit sie begreifen, dass das Dritte Reich nicht von heute auf morgen entstanden ist, sondern dass die Wurzeln bis in die 1920er Jahre zurückreichen.“ Und damals wie heute sei genügend Zeit gewesen, um gegen eine solche Entwicklung demokratisch vorzugehen.

Welche Wirkungen gelebte Erinnerungskultur an Schulen auf die Schüler haben kann, dafür ist der Klarinettist Bernd Spehl selbst ein gutes Beispiel. Denn der Erftstädter, der sich seit 20 Jahren hauptberuflich mit Klezmermusik beschäftigt, kam das erste Mal mit jiddischer Musik in seiner Schulzeit während eines Schüleraustauschs mit Israel in Berührung.

„Wir wollen die Lesung keinesfalls nur auf das St. Michael-Gymnasium beschränken“, berichtet Gehring. Vorstellen kann sich der Kulturpreisträger des Rhein-Erft-Kreises auch Aufführungen an anderer Stelle wie beispielsweise in der ehemaligen Ordensburg Vogelsang, in Buchhandlungen oder auch in anderen Schulen.

Die Lesung findet statt am Montag, 8. Mai, 19 Uhr, im Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums. Karten zum Preis von 10 Euro sind an der Abendkasse oder im Vorverkauf bei „Leserei“ und in der Buchhandlung Mütters“ zu haben.