Draghis langer Arm in den Kreis Euskirchen

KSK-Vorstandsvorsitzender Udo Becker informierte die angehenden Abiturienten des CFG in Schleiden über die Zinspolitik der EZB und deren Auswirkungen auf die Daseinsvorsorge der heutigen jungen Generation.

 

Schleiden – Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist ein Thema, das auch bei angehenden Abiturienten nicht gerade auf Anhieb für helle Begeisterung sorgt. Es sei denn, jemand ist in der Lage, ihnen dieses komplexe Thema so zu vermitteln, dass sie nicht nur verstehen, sondern auch begreifen, warum die Zinspolitik Mario Draghis einen unmittelbaren Effekt auf ihr eigenes Leben hat. „Mit Udo Becker von der Kreissparkasse Euskirchen haben wir jemanden gefunden, der den jungen Leuten das Thema nicht nur kompetent, sondern ebenso unterhaltsam zu vermitteln weiß“, lobte Wolfgang Kerp, Lehrer am Bischöflichen Clara-Fey-Gymnasium in Schleiden, den Referenten. Kerp hatte den Vorstandsvorsitzenden der KSK eingeladen, um die derzeitige Q2 über dieses komplexe und wichtige Thema aufklären zu lassen.

Kompetent, unterhaltsam und humorig kommentierte der Vorstandsvorsitzende der KSK Euskirchen, Udo Becker, die Zinspolitik der EZB vor den Schülerinnen und Schülern des Clara-Fey-Gymnasiums in Schleiden. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epaKompetent, unterhaltsam und humorig kommentierte der Vorstandsvorsitzende der KSK Euskirchen, Udo Becker, die Zinspolitik der EZB vor den Schülerinnen und Schülern des Clara-Fey-Gymnasiums in Schleiden. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

„Die Schülerinnen und Schüler haben keinerlei Vorkenntnisse“, sagte Kerp vor Beginn der Veranstaltung. Diese waren aber auch nicht nötig, denn Becker redete keinesfalls Fachchinesisch, sondern vermochte es, den jungen Leuten das schwierige Thema spannend und mit zahlreichen Alltagsbeispielen nahezubringen, wobei er in Sachen Finanzen auch gleichzeitig ein paar lebenspraktische Dinge mit auf den Weg gab.

„Das Nettofinanzvermögen der Deutschen ist 2014 auf 166,1 Prozent des verfügbaren Einkommens gestiegen. Im Durchschnitt sparen die Deutschen zehn Prozent ihres Einkommens“, berichtete Becker. Die Nachfrage nach Erspartem falle beständig. „Allein die KSK kann in ihrer Bilanz 1,7 Milliarden Euro ausweisen, der 1,6 Milliarden Euro an Krediten gegenüberstehen. Wir hätten also noch 100 Millionen Euro übrig, die wir verleihen könnten, doch es besteht vor allem bei den Unternehmen keinerlei Nachfrage.“

Dies habe nicht zuletzt mit dem Preisverfall zu tun. Auf den ersten Blick sei es angenehm, wenn viele Dinge günstiger würden. „Doch paradoxerweise wird weniger konsumiert, wenn sich die Preise im Abwärtstrend befinden“, so Becker. Denn in einem solchen Fall würden die Leute viel länger warten, bis sie ihr Geld ausgäben, da man schon morgen für dieselbe Sache weniger berappen müsse. Dies führe jedoch dazu, dass weniger produziert werde und folglich die Arbeitslosenzahl steige, da man bei geringerer Produktion nicht mehr so viele Mitarbeiter benötige. Und da bei vielen Unternehmen schon heute die Maschinenkapazität nicht ausgelastet sei, hätten diese Unternehmen auch wenig Interesse, Kredite aufzunehmen, um in neue Maschinen zu investieren. Womit sich der Kreis schließe.

Wolfgang Kerp (links) bedankte sich bei Udo Becker (rechts) für den gelungenen Vortrag. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epaWolfgang Kerp (links) bedankte sich bei Udo Becker (rechts) für den gelungenen Vortrag. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Um diese Abwärtsspirale zu stoppen, habe Draghi sich entschieden, die Zinsen zu senken, um wieder Nachfrage zu schaffen. „Mit dem Erfolg, dass der normale Sparer keine Zinsen mehr erhält und die Kreditinstitute, die ihr Geld zur EZB bringen müssen, noch 0,4 Prozent Negativzinsen zu zahlen haben“, so Becker. Da aber auch die Zinssenkung nicht zu einer Steigerung der Nachfrage geführt habe, habe Draghi den Markt schließlich mit Geld überfluten lassen. „Jeden Monat lässt Herr Draghi in seinem Keller 80 Milliarden Euro drucken und kauft damit alles an Anleihen auf, was nicht bei drei auf den Bäumen ist“, so Becker scherzhaft. Sollte der EZB-Chef mit dieser Geschäftspolitik pleitegehen, so werde er sich an die Staatsbanken der Einzelstaaten wenden. Mit anderen Worten: In Deutschland müssten der Staat und damit der Steuerzahler die „ultralockere Geldpolitik“ der EZB ausbaden. Becker glaubte nicht, dass die EZB ihre Politik bis 2020 ändern werde, hoffte aber, dass Mario Draghi im September 2018 von seinem Amt zurücktrete und sodann ein Nordeuropäer die Geschäfte übernehme.

Als neusten Coup biete die EZB den Banken jetzt eine Prämie an, wenn sie zusätzliche Kredite an den Mann bringe. „Die KSK wird sich daran nicht beteiligen“, versprach Becker. Sollten auch diese Maßnahmen keine Verbesserung bringen, drohe Draghi sogar damit, Helikoptergeld auszuteilen, was bedeute, dass jeder Bürger beispielsweise 1000 Euro erhalte, um damit die Wirtschaft anzukurbeln. Doch glaubte Becker nicht, dass diese Idee realisiert werde.

„Allein aufgrund des gesunkenen Zinsniveaus konnte der Bund 56,6 Milliarden Euro sparen“, berichtete Becker. Dafür jedoch seien die „Nebenwirkungen“ für Sparer aber umso gravierender. „Der Sparer verliert bei dieser Zinspolitik jeden Tag Geld“, so Becker, und dennoch sei es notwendig, dass er gerade jetzt mehr denn je spare. „Die geringen Zinsen führen zu einer sinkenden Motivation, sich um die eigene Altersvorsorge zu kümmern. Es wird in Zukunft mehr Sozialfälle geben, und die Altersarmut wird steigen“, prophezeite Becker.

„Ein heute 35-Jähriger muss bereits ohne Verzinsung 133 Euro im Monat sparen, um mit 65 Jahren 200 Euro mehr an Rente zu haben“, so der KSK-Chef und Dozent am Standort Schleiden der Rheinischen Fachhochschule (RFH). Bei einer Verzinsung von vier Prozent seien es hingegen nur 48 Euro im Monat.

Mit vielen Beispielen aus dem Alltagsleben veranschaulichte Udo Becker das schwierige Thema „Zinspolitik“. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epaMit vielen Beispielen aus dem Alltagsleben veranschaulichte Udo Becker das schwierige Thema „Zinspolitik“. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

Aufgrund der niedrigen Zinsen investierten immer mehr Menschen in Immobilien. Dies führe jedoch dazu, dass die Immobilienpreise derzeit stark anstiegen. „Der Kreis Euskirchen ist eine der wenigen Regionen, wo die Immobilienpreise noch einigermaßen stabil sind“, so Becker. Die Entwicklung in den Großstädten sei dagegen schon jetzt katastrophal.

Becker warnte die jungen Leute, sehr skeptisch zu sein, wenn eine Bank ihnen heute noch einen hohen Zinssatz anbiete. „Je höher der Zinssatz, desto höher ist euer Risiko“, so Becker. Wenn man ein gewisses Risiko nicht scheue, so könne man besser in Aktien investieren. Allerdings sei Deutschland diesbezüglich noch ein Entwicklungsland. Betrage die Aktienquote bei Geldanlagen in den USA 56, so liege sie in Deutschland gerade einmal bei 7. „Die Faustformel für die Aktienquote eines Menschen lautet 100 minus Alter“, so Becker.

Becker mahnte die jungen Leute ausdrücklich, trotz der geringen Zinsen das Sparen grundsätzlich nicht für überholt zu halten. Gerade jetzt in jungen Jahren sei es wichtig, sich kompetent beraten zu lassen, damit es später einmal kein übles Erwachen gebe.