„Saal Hilgers“ in Dreiborn startet in eine neue Ära
Kreissparkasse Euskirchen unterstützt Dorfgemeinschaft mit 12.500 Euro – Bürgermeister Meister: „Das Projekt passt perfekt in unser Leitbild Stadtentwicklung“
Schleiden-Dreiborn – Mag sein, dass für den ein oder anderen alte Schlösser oder Burgen bedeutende Orte der Geschichte sind. Für die Bewohner des Höhenorts Dreiborn im Stadtgebiet von Schleiden ist es ihr Dorfsaal, der zumindest von den vergangenen 90 Jahren deutscher Geschichte viel zu erzählen weiß. Denn es gibt wohl kaum einen Dreiborner, der nicht schon einmal im Saal Hilgers ein für ihn wichtiges Ereignis gefeiert oder dort sogar auf der Bühne gestanden hat. Ob Geburt, Kommunion, Hochzeit, Theater, Karneval oder Vereinssitzung, der Dorfsaal ist von jeher Zentrum des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens aller Dreiborner. Doch 90 Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Eine zeitgemäße Bewirtschaftung in dem bejahrten Gebäude ist kaum noch möglich. Vor allem die Toilettenanlagen bedürfen dringender Sanierung. Darüber hinaus soll das Gebäude barrierefrei werden.
Die ehemaligen Betreiber, Ottmar und Monika Hilgers, haben schon seit dem Jahr 2000 den eigenen Ausschank im Dorfsaal eingestellt. Seither wurde der Saal nur noch an verschiedene Veranstalter vermietet. 2016 dann gaben die beiden bekannt, dass sie den Saalbetrieb ganz aufgeben möchten. Damit ging eine Ära zu Ende. Denn Ottmar und Monika Hilgers hatten den Dorfsaal bereits 1969 übernommen und ihm in liebevoller Kleinarbeit in ihrer fast 50-jährigen Tätigkeit als Saalbetreiber sein heutiges unverwechselbares Aussehen verliehen.
Die Dorfgemeinschaft, Vertreter der Stadt Schleiden und der Kreissparkasse Euskirchen riefen am Mittwochnachmittag eine neue Ära für den „Saal Hilgers“ in Dreiborn aus. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Damit die zahlreichen Dreiborner Vereine aber auch weiterhin Veranstaltungen mit über 100 Teilnehmern abhalten können, wurde händeringend nach einer Lösung gesucht, den Saal auch nach Ausscheiden des Paares weiter betreiben zu können. Die Dorfgemeinschaft Dreiborn, ein eingetragener Verein, entschied sich schließlich dafür, den Saal zu übernehmen.
„Unser Dank gilt der Stadt Schleiden, die die Grundvoraussetzung zur Übernahme des Saals durch die Dorfgemeinschaft erst ermöglichte“, sagte deren Vorsitzender Gerd Wolter jetzt bei einer öffentlichen Vorstellung des Dorfsaalprojekts. Wolter ließ in seiner kleinen Ansprach deutlich werden, wieviel der Saal den Ortsbewohnern bedeutet: „In diesem Saal wurde gewohnt, gearbeitet, geturnt, gefeiert, getauft, geheiratet, aber auch gestorben, Dieser Saal ist ein Teil unserer Dreiborner Geschichte.“ Und das meinte Wolter keinesfalls nur metaphorisch, wie er in einem kleinen Abriss der Geschichte des Saals verdeutlichte: Dieser Abriss liest sich wie ein Stück deutscher Geschichte en miniature.
Monika und Ottmar Hilgers führten den Saal seit 1969 und gaben ihm sein unverwechselbares Gesicht, das die Dorfgemeinschaft auf jeden Fall erhalten möchte. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Bereits 1927 war der Bau fertiggestellt und von den fünf Brüdern Hilgers bis 1937 geführt worden. 1928 feierte man die erste Kirmes im Saal. Ab 1937 übernahmen Klemens und Karoline Hilgers die Immobilie. Ab den 1930er Jahren fanden dort die Westwallarbeiter Unterkunft. „Im Herbst 1944 beschlagnahmte die Deutsche Wehrmacht den Saal und funktionierte diesen innerhalb von fünf Stunden zu einem Hauptverbandsplatz um. Als Schutzmaßnahme vor Bombenabwürfen wurde eine riesengroße Rote-Kreuz-Fahne auf das Dach gespannt“, so Wolter. Durch die Einrichtung des Lazaretts im Dorfsaal sei aber nicht nur vielen Verletzten geholfen worden, „leider verloren auch viele im Krieg schwer verwundete Soldaten hier ihr Leben“, erinnerte Wolter an die dunkle Geschichte des Dorfsaals. Nach Kriegsende wurde der Saal dann Zeuge eines weiteren historischen Ereignisses: Familien aus dem zwangsgeräumten Wollseifen fanden vorübergehend Unterkunft als Flüchtlinge im Saal.
Rita Witt (rechts), Direktorin des KSK-Vorstandsstabs und Vorsitzende beider KSK-Stiftungen, und Karl-Heinz Daniel vom KSK-Vorstandsstab (links) übergaben dem Vorsitzenden der Dorfgemeinschaft Dreiborn einen Scheck in Höhe von 12 500 Euro. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
1949 bis Mitte der 1950er Jahre diente der Saal als Sport- und Turnraum. Von 1946 bis Mitte der 1950er Jahre fanden jeden Freitag Kinovorführungen dort statt. 1963 wurde der Dorfsaal sogar Teil des wirtschaftlichen Aufschwungs. Die Firma Hirsch, eine Näherei, startete dort ihre Produktion, die bis 1968 lief. Unter der Ägide von Ottmar und Monika Hilgers schließlich traten im Dorfsaal ab 1969 bekannte Stars wie „Cindy und Bert“ oder Heino auf. Und 1974 und 1994 wurde der Dorfsaal während der Renovierung der Pfarrkirche zur Ersatzkirche.
„Für Generationen von Dreibornern sind dieser Saal und diese Bühne daher die Bretter, die die Welt bedeuten“, so Wolter. Und so soll es auch bleiben. Dabei möchte die Dorfgemeinschaft den einzigartigen Charakter des Saals unbedingt erhalten.
Ottmar Hilgers (links), der langjährige Betreiber des Dorfsaals, übergab den Saalschlüssel symbolisch an Bürgermeister Udo Meister, der diesen direkt an die Dorfgemeinschaft weiterreichte. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Der Schleidener Bürgermeister Udo Meister freute sich über die Initiative der Dorfgemeinschaft, da sich deren Vorhaben nicht zuletzt mit den Leitbildstrategien der Stadtentwicklung genauestens deckt: „In diesem Leitbild bekennen wir uns klar dazu, dass wir das Wir-Gefühl unter uns allen und mit allen Ortsbewohnern stärken möchten, und dass das Miteinander aller Generationen durch die Einrichtung gemeinsamer, attraktiver Bürgertreffpunkte gefördert werden soll.“ Eine gut funktionierende Dorfgemeinschaft erhöhe, insbesondere in den kleinen Ortschaften, die Lebensqualität der Bürger um ein Vielfaches, so Meister: „Wir setzen uns im Leitbild daher das Ziel, dem Verlust von Tradition und Brauchtum entgegenzuwirken und die ländliche Struktur sowie die Dorfgemeinschaften beizubehalten, die unsere Stadt so lebenswert machen.“ Nur so könne sich Schleiden weiter zu einer attraktiven Mehrgenerationenstadt entwickeln.
Rita Witt (links), Direktorin des KSK-Vorstandsstabs und Vorsitzende beider KSK-Stiftungen, und Karl-Heinz Daniel vom KSK-Vorstandsstab (rechts) übergaben dem Vorsitzenden der Dorfgemeinschaft Dreiborn einen Scheck in Höhe von 12 500 Euro. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Neben der städtischen Unterstützung und der Eigenleistung der Dorfgemeinschaft bedarf es aber auch der finanziellen Hilfe. Die Kreissparkasse Euskirchen entschloss sich daher zu einer Anschubfinanzierung des Projekts. Rita Witt, Direktorin des Vorstandsstabs und Vorsitzende beider KSK-Stiftungen, überbrachte gemeinsam mit Karl-Heinz Daniel vom Vorstandsstab einen Scheck in Höhe von 12.500 Euro an die Dorfgemeinschaft.
„Die Höhe dieser Zuwendung ist auch für uns nicht alltäglich“, sagt Rita Witt. Der Kurator der Kultur- und Sportstiftung der KSK, Josef Reidt, habe sich jedoch entschieden für dieses Projekt stark gemacht und letztlich den KSK-Vorstand von der Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung überzeugt, die man schließlich aus dem PS-Zweckertrag generiert habe. „Entscheidend für eine Förderung ist für uns immer, dass die Bürgerinnen und Bürger hinter einem Projekt stehen und dieses auch aktiv begleiten“, so Witt. Bei den Dreibornern und ihrer intakten Vereinsstruktur sei man sich sicher, dass das Geld in guten Händen sei. „Wir kommen auch mal gucken, was aus unserer Förderung geworden ist“, so Rita Witt scherzhaft, der daraufhin sogleich signalisiert wurde, dass sie in Dreiborn jederzeit willkommen ist.
Eifeler Presse Agentur/epa