Bewegende Abschiedsfeier für NEW-Geschäftsführer Wilhelm Stein

Bewegende Abschiedsfeier für NEW-Geschäftsführer Wilhelm Stein

Nach 37 Jahren geht der Grandseigneur der NEW in den Ruhestand – Aus einer Werkstatt mit 150 Menschen wurde eine Unternehmensgruppe mit 1500 Mitarbeitern – Mit Bescheidenheit, Höflichkeit und Beharrlichkeit Meilensteine in der Behindertenarbeit gesetzt

Nettersheim-Zingsheim – Hatte Wilhelm Stein kürzlich auf die Frage, was der emotionalste Moment in seinem langen Geschäftsführerleben gewesen sei, noch geantwortet: „Der Brand am 2. Juni 2011, als ein Feuer 3.000 Quadratmeter Produktions- und Lagerfläche mit Sanitär- und Sozialräumen am NEW Standort Ülpenich zerstörte“, so war er sich am Sonntagmittag mit dieser Antwort nicht mehr so ganz sicher. Denn nach einer bewegenden Feier, in der Stein nach 37 Jahren als NEW-Geschäftsführer seinen Hut nahm, schien es ihm auch möglich, dass er den emotionalsten Moment seiner Laufbahn gerade eben erst erlebt hatte. Doch Wilhelm Stein hatte vorgesorgt: Mit Fencheltee am Morgen und einer dunklen Sonnenbrille am Mittag.

Wilfried Fiege, langjähriger Weggefährte als Verwaltungsleiter und später als Geschäftsführerkollege, begrüßte die vielen Ehrengäste, die zur persönlichen Verabschiedung von Stein gekommen waren. Fiege dankte ihm für die einzigartige kollegiale Zusammenarbeit und wies darauf hin, dass bei Stein stets der Mensch mit Behinderung im Fokus seines Handelns stand.

Der Verwaltungsratsvorsitzende Josef C. Rhiem konnte sich noch gut an das erste Bewerbungsgespräch mit Wilhelm Stein vor 37 Jahren erinnern. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

Einig waren sich die Laudatoren im Festzelt am NEW-Standort Zingsheim darin, dass mit dem Abschied von Wilhelm Stein eine Ära bei den Nordeifelwerkstätten zu Ende geht. Josef C. Rhiem, der Vorsitzende des NEW-Verwaltungsrats, zollte Stein Respekt und Dank für seine Arbeit. Er bezeichnete dessen Lebensleistung einfach nur als „Wahnsinn“, eine Vokabel, die Rhiem sonst nicht allzu oft über die Lippen kommt. Rhiem erinnerte sich noch gut an die Zeit, da man in der Eifel Menschen mit Behinderung zwar in den Familien umsorgte, sie jedoch in der Öffentlichkeit versteckt hielt. In den vergangenen vierzig Jahren habe sich dies fundamental geändert, und das nicht zuletzt durch die unermüdliche Arbeit der NEW, die Menschen mit Behinderung einen festen Platz im normalen Alltagsleben erstritten habe.

„Wilhelm Stein hat in diesem Unternehmen ein Klima der Mitmenschlichkeit geschaffen“, so Rhiem. Was ihn auszeichne, seien vor allem Bescheidenheit und Höflichkeit, aber eine ebensolche Beharrlichkeit, wenn es um die Belange von Menschen mit Behinderung gehe. Und das nicht nur im Kreis Euskirchen, sondern beispielsweise auch in der Ukraine, wo er sich in Odessa seit Jahren gemeinsam mit der Friedrich-Joseph-Haass-Gesellschaft um den Aufbau eines Behindertenzentrums kümmere.

Landrat Günter Rosenke ließ es sich nicht nehmen, den NEW-Geschäftsführer persönlich zu verabschieden. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

Um einen Menschen zu verabschieden, der im Kreis Euskirchen „Rang und Namen“ hat, war auch Landrat Günter Rosenke nach Zingsheim gekommen. Und dies keinesfalls, so betonte er, nur aus Pflichtgefühl seinem Amt gegenüber. „Mit Ihnen, lieber Herr Stein, geht eine Ära zu Ende, die 1982 in Ülpenich begann.“ Damals hatte sich Stein auf eine Stellenanzeige der „Werkstatt für Behinderte im Kreis Euskirchen“ beworben, dem Vorläufer der NEW. Aus der kleinen Werkstatt in Ülpenich mit 150 Werkstattplätzen entwickelte Stein eine facettenreiche, überregional bekannte Unternehmensgruppe mit einem breiten Dienstleistungs- und Arbeitsangebot für Personen mit Handicap, in der heute insgesamt rund 1500 Menschen arbeiten.

Und diese Menschen sind heute im gesamten Kreis Euskirchen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken. Ob im Kantinenbetrieb bei der Kreissparkasse Euskirchen, im CAP-Lebensmittelmarkt Kuchenheim, im Nimm-Ess-Mit-Markt in Bad Münstereifel, beim Bügelprofi in Euskirchen oder auch, wie der Landrat erinnerte, beim jährlichen Prinzenempfang im Kreishaus: „Ohne die NEW läuft nichts, wir hätten nicht einmal mehr einen Prinzenorden zu verleihen, der von NEW-Mitarbeitern angefertigt wird und mittlerweile Sammlerwert genießt.“

Bürgermeister Wilfried Pracht erinnerte sich besonders an die Beharrlichkeit Steins und schenkte diesem zum Abschied den Abguss eines Medusenhaupts. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

Wilhelm Stein habe sehr früh erkannt, dass Arbeit soziale Identität stifte und die Situation von Menschen mit Behinderung im Kreis Euskirchen daher beständig zu verbessern versucht. „Das Fördern steht bei Ihnen ganz oben auf der Tagesordnung. Sie tragen dazu bei, dass auch Menschen mit Handicap ein weitgehend unabhängiges Leben führen können“, so der Landrat. Stein erreiche dies vor allem dadurch, dass er bei den Menschen mit Behinderung Begeisterung für das eigene Tun und die eigene Arbeit wecke.

Von der Beharrlichkeit Wilhelm Steins wusste vor allem der Bürgermeister von Nettersheim, Wilfried Pracht, zu berichten: „Wenn er eine Idee hatte, dann blieb er zielstrebig und hat uns die letzten Quadratmeter abgerungen, sogar unsere alte Diskothek“, so Pracht. Die Diskothek ging in einen auf gut 900 Quadratmeter angelegten neuen Heilpädagogischen Arbeitsbereich auf.

Auch der Werkstattrat bedankte sich für die jahrelange gute Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Wilhelm Stein. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

Auch der Werkstattrat und der Elternbeirat zollten Stein ihren Respekt. Der scheidende Geschäftsführer betonte anschließend, dass Abschiednehmen ein sehr emotionaler Moment im Leben sei, das Gefühl der Dankbarkeit für das Erreichte bei ihm jedoch überwiege. Stein berichtete, dass er vor allem in Josef C. Rhiem einen Freund fand, der ihn bei seinen vielen Projekten stets unterstützend beiseite gestanden habe.

Besonders wichtig sei ihm der Elternbeirat. „Ich stamme noch aus einer Generation, in der ich die Pioniere der Werkstattarbeit kennenlernen durfte“, berichtete er. Die Grundlagen der heutigen Werkstattarbeit sei von engagierten Eltern gelegt worden. „Vor diesen Menschen habe ich daher großen Respekt“, so Stein. Dank ging darüber hinaus an die Bürgermeister der NEW-Standortkommunen, den Landrat und den Unternehmen, die die NEW mit Arbeit versorgten.

Georg Richerzhagen freut sich auf die große und vielfältige Arbeit, die vor ihm liegt. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

Mit der Auswahl eines neuen NEW-Geschäftsführers hatte es sich der Verwaltungsrat nicht leicht gemacht. Bei Georg Richerzhagen schließlich war man sich einig, den richtigen Nachfolger für Wilhelm Stein gefunden zu haben. Der 50-Jährige stammt genau wie Stein gebürtig aus Köln und lebt seit 2000 mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Euskirchen. Der neue Geschäftsführer der NEW, der seit dem 1. Juni im Amt ist, ist studierter Diplomkaufmann und arbeitete mehr als zehn Jahre in einem großen Keramikunternehmen, wo er sich vom Assistenten des Vorstandsvorsitzenden zum Leiter Konzerncontrolling entwickelte. Seit 2006 war er Geschäftsführer in drei weiteren Keramikbetrieben und arbeitete unter anderem in Sachsen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern.

„Erste Berührungspunkte mit der Sozialwirtschaft hatte ich in der Altenpflege, in der ich während meines Studiums gejobbt habe“, berichtete Richerzhagen. Für ihn sei es eine Herausforderung, pädagogische, soziale, wirtschaftliche und technische Aspekt zusammenzuführen. Er habe bei den NEW eine Unternehmensgruppe vorgefunden, die äußerst professionell aufgestellt sei. „Diese Professionalität bezieht sich auf alles: auf das Engagement, die Räumlichkeiten, auf das Miteinander, die Herzlichkeit und auf die Vielfalt von Beschäftigungsmöglichkeiten, die man je nach Neigung und Fähigkeit bei den NEW vorfindet“, so Richerzhagen. Er freue sich auf die große und vielfältige Arbeit, auch wenn ihm klar sei, dass Wilhelm Stein große Fußstapfen hinterlasse.

Sind ein eingespieltes musikalisches NEW-Team: Nicole Flittorf und der NEW-Beschäftigte Roland. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse

 

Für eine gelungene Verabschiedungsfeier trugen NEW-Mitarbeiterin Nicole Flittorf und der Beschäftigte Roland bei, die den Vormittag mit selbstgeschriebenen Liedern bereicherten. Die Moderation lag beim Mit-Geschäftsführer Wilfried Fiege, der gemeinsam mit Georg Richerzhagen die künftigen Geschicke der NEW-Unternehmensgruppe leitet. Die Verabschiedungsfeier war zugleich eingebettet in den Tag der offenen Tür. Am Standort Zingsheim nutzten Hunderte von Gästen die Gelegenheit, sich über die aktuellen Arbeits- und Förderangebote der NEW-Unternehmensgruppe zu informieren oder es sich an den vielen Ständen mit Leckereien gut gehen zu lassen.

Zum Abschluss gab es für den scheidenden NEW-Chef stehende Ovationen, und zwar im und vor dem Zelt, wo sich bereits zahlreiche Besucher eingefunden hatten. Viele der Menschen mit Handicap ließen es sich darüber hinaus nicht nehmen, sich ganz persönlich von ihrem „Chef“ zu verabschieden. Zuvor hatte Wilhelm Stein noch berichtet, dass er unter seiner Schreibtischunterlage einen 30 Jahre alten Zettel mit einem Zitat von Richard von Weizäcker gefunden habe.

Wilhelm Stein übergab den Staffelstab an seinen Nachfolger Georg Richerzhagen. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

Diesen Zettel verschenkte er zum Schluss der Veranstaltung an seinen Nachfolger Georg Richerzhagen. Auf dem längst vergilbten Stück Papier waren die immer noch aktuellen Sätze zu lesen, die Wilhelm Stein während seiner langen Zeit als NEW-Geschäftsführer stets vorgelebt hat: „In jedem Menschen ein Geschöpf Gottes zu sehen, in jedem Menschen die Würde zu erblicken, die jedem von uns zukommt, ganz unabhängig davon, mit welchen Gaben er ausgestattet ist oder mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen hat. Darauf kommt es gerade auch in der Zusammenarbeit mit behinderten Menschen an.“

 

Mit stehenden Ovationen wurde der langjährige Geschäftsführer der NEW, Wilhelm Stein, in den Ruhestand verabschiedet. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

 

 

 

 

Eifeler Presse Agentur/epa

Bildzeilen