Marienschule weihte Oase für Naturerleben und innere Einkehr ein
KSK-Bürgerstiftung ließ Anne-Frank-Baum pflanzen – 400 Quadratmeter große Wildblumenwiese und fast 500 Staudenpflanzen – Erinnerungen an Esther Bejarano und Bekenntnis zum Frieden
Euskirchen – Noch wächst nicht allzu viel im neuen Naturgarten der Marienschule, der am Samstagmorgen feierlich eingeweiht wurde. Doch das dürfte sich schon bald ändern, denn auf der einstigen Brachfläche, die vor Jahren mal als Parkplatz vorgesehen war, hat sich in den vergangenen Wochen so einiges getan. Und das, obwohl die Schule noch immer unter den Folgen der Flutkatastrophe leidet, bei der die Keller vollliefen, der alte Schulgarten samt Schulteich überflutet und die Turnhalle unter Wasser gesetzt wurde. Letztere wird wahrscheinlich erst 2025 wieder vollumfänglich den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen können.
Ursprünglich war das Naturgarten-Projekt unter dem sperrigen Titel „Biodiversitätsinitiative – Wildblumenwiese“ von der Schule an Olaf Spekkers vom Grünflächenamt herangetragen worden. Doch statt „nur“ eine Wildblumenwiese einzusäen, hatte Projektleiter Kai Ries, der seit 2016 Biologie und Sport an der Marienschule unterrichtet und die Garten- und Bienen-AG leitete, mit seinen Kollegen und der Schülerschaft dann aus dem Vollen geschöpft. Es entstand eine 400 Quadratmeter große Wildblumenwiese, ein Kalkmagerrasenstandort, der mit Sand und Kies abgemagert wurde, und Staudenbeete mit knapp 500 Staudenpflanzen. Ein „Sandarium“ für Wildbienen und Solitärbienen runden den „Schulhof-Dschungel“ ab.
„Wir werden den Naturgarten auch nutzen können, um beispielsweise in der Oberstufe Eingriffe in Ökosysteme zu untersuchen“, so Ries. Wichtig sei, dass die Schülerinnen und Schüler „Primärerfahrungen“ mit der Natur machen könnten. Aus diesem Grund seien im Naturgarten auch zwei Klassenzimmer im Grünen entstanden. Eine Arbeitsgemeinschaft an der Schule wolle darüber hinaus auf einer Website die Pflanzen des Naturgartens detailliert vorstellen.
„Dieser Naturgarten ist für uns ganz besonders wichtig, weil er im Bereich des Ganztages auch für Entspannung und Ruhe sorgen soll“, berichtete Schulleiter Michael Mombaur. Der Garten solle entschleunigen und die Jugendlichen und die Lehrerinnen und Lehrer stärken. Schule sei oft genug nur noch Stress, da brauche es Momente, in denen man mal wieder durchatmen könne. Weiterhin wolle man mit dem Naturgarten ein Zeichen für Nachhaltigkeit setzen. „Wer, wenn nicht eine Schule, sollte daran appellieren, dass wir bewusst mit unseren Ressourcen umgehen, dem Klimawandel begegnen und unser grünes Herz retten?“, so Mombaur.
Nicht zuletzt sei der Naturgarten aber auch ein Ort des Friedens. „Wir hören die lauten Schreie des Krieges, der Gewalt und des Terrors in der ganzen Welt. Angesichts dieser Gewalt müssen wir immer wieder neu lernen, den leise mahnenden Stimmen der Nächstenliebe zuzuhören“, so Mombaur weiter. Der Schulleiter erinnerte in diesem Zusammenhang auch an Esther Bejarano, Mitglied des Mädchenorchesters in Auschwitz, die in ihren letzten Lebensjahren die Marienschule sehr häufig besuchte und heute im Naturgarten mit einem überlebensgroßen Plakat verewigt ist. Das Plakat mahnt mit dem Banner: „Nie wieder Krieg!“. Esther Bejarano, so Mombaur, habe sich unermüdlich dafür eingesetzt, dass man sich die Hände reiche und nicht aufeinander schieße. Jeder einzelne Mensch könne für sich entscheiden, ob er das Gute tun oder ob er lieber dem Bösen frönen wolle. Schwarz und weiß gebe es nicht. Mombaur: „Daher ist der Garten auch ein Garten des Erinnerns und Innehaltens, in dem man seine eigenen Anschauungen überprüfen kann.“
Als „Europaschule“ besaß die Marienschule auch eine Partnerschule in Russland. Dieser Kontakt sei „von ganz oben“ unterbunden worden. Mombaur machte keinen Hehl daraus, dass man sich nur schweren Herzens voneinander getrennt habe, zumal die Marienschule für ein weltoffenes Europa stehe.
Neben Esther Bejarano, eine Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau, erinnert der Naturgarten aber auch an Anne Frank. Und hier ist es besonders ein Kastanienbaum, ein Ableger jener weißen Rosskastanie, die Anne Frank in ihrem Tagebuch ausführlich erwähnt. Denn von ihrem Amsterdamer Hinterhaus aus, in dem sie sich mit ihrer Familie während der Okkupation der Niederlande durch die deutschen Truppen versteckt hielt, war der Baum eines der wenigen Stückchen freier Natur, die das junge Mädchen sehen konnte. Ein Baum, der sie an jene Freiheit erinnerte, die sie in ihrem kurzen Leben nicht mehr erleben sollte. Kurz vor Kriegsende wurde sie im KZ Bergen-Belsen Opfer des nationalsozialistischen Holocausts.
Der Kastanienbaum wurde von der Bürgerstiftung der Kreissparkasse Euskirchen gespendet. Vorstandsvertreter Axel Dehnhard erinnerte daran, dass die KSK sehr gern die Schulen im Kreis Euskirchen fördere, aber auch ganz allgemein bürgerliches Engagement, Sport und Kultur. „Wir arbeiten hier, wir wohnen hier, viele von uns sind hier zur Schule gegangen. Zugegeben: Wir verdienen als Sparkasse auch unser Geld vor Ort, aber wir geben einen Großteil davon auch wieder vor Ort aus“, so Dehnhard.
Den Naturgarten nannte Dehnhard ein sehr gelungenes Beispiel dafür, dass mit der Unterstützung von vielen Akteuren, wie beispielsweise der Stadt Euskirchen, der Rotarier, dem Land NRW und nicht zuletzt auch der KSK Euskirchen wichtige Projekte gemeinsam umgesetzt werden könnten: „Neben den bunten Steinen des Anstoßes, die die Schulgemeinschaft angefertigt hat, kann auch die Anne-Frank-Kastanie ein Impulsgeber für Einkehr und Gedenken im Naturgarten sein.“ Damit ermutige die Schule einmal mehr, für Werte wie Offenheit, Toleranz und Respekt überzeugt einzutreten.
Ein weiterer Dank des Schulleiters ging an die Rotarierer, die allein 90.000 Euro für von der Flut betroffenen Schulen in Bad Münstereifel, Flamersheim, Mechernich und Euskirchen gespendet hatten. 10.000 Euro waren dabei für den Naturgarten der Marienschule gestiftet worden. Governor Rainer Lipczinky war eigens aus Augsburg angereist, um mit seinen Vor-Ort-Kolleginnen und Kollegen bei der Einweihung des Naturgartens dabei zu sein.
Sacha Reichelt, Bürgermeister Euskirchen, bedauerte, dass der Naturgarten nicht für jedermann zugänglich sei. „Es ist schade, dass man gezwungen ist, diesen mit Zäunen abzusperren“, so der Bürgermeister.
Abschließend wurde der Naturgarten vom katholischen Pastor José Pérez Pérez und dem evangelischen Pfarrer Gregor Weichsel mit viel Weihwasser eingeweiht, bei dem auch manchem der Honoratioren das Hemd durchnässt wurde. Der Garten, so Perez, „steht als Symbol dafür, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Religion gemeinsam für die Bewahrung der Schöpfung einzustehen.“
Für den musikalischen Rahmen der Einweihung sorgte die BigBand der Marienschule unter Leitung von Michael Luke und vor allem ein paar Solisten und Solistinnen, die den Mut aufbrachten, ihr Können dem Publikum unter Beweis zu stellen.
Eifeler Presse Agentur/epa